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Visitenkartenformat der Bölling'schen Karte

Das Visitenkartenformat – die wahre Größe Ihrer Karte

Es kann doch nicht nur ein Visitenkartenformat geben? Aber warum sind dennoch beinahe alle Visitenkarten in freier Wildbahn gleich groß? In diesem Beitrag werde ich erläutern, warum das Visitenkartenformat 85 x 55 nicht die beste Wahl ist, werde Alternativen aufzeigen und klären, wie weit man sich vom 08/15-Format entfernen kann oder soll.

85 x 55 — der Quasi-Standard

Alle Karten im Einheitsformat? Das ist doch ungewöhnlich, wir Menschen sind doch auch nicht alle gleich groß! Das Streben nach Individualität und der Wunsch nach Abgrenzung treibt die schönsten Blüten bei Gestaltung, Materialauswahl, Drucktechnik und Veredelung. Aber beinahe immer auf dem gleichen Spielfeld. Es scheint fast, als glaube man, es müsse so sein. Gefährliches Halbwissen im Netz bestätigt diese Befürchtung: „Das Standardformat ist 8,5×5,5 cm. Das wird auf allen gängigen Druckplattformen so angeboten. Ob hoch oder quer spielt hierbei keine Rolle. Das ist beides möglich. Andere Formate würde ich nicht empfehlen. Je nach Plattform benötigt man noch eine sogenannte Beschnittzugabe, damit beim verrutschen der Stanzmaschine der Hintergrund sauber ausläuft.“. Gefunden habe ich diesen Ratschlag auf einer der großen Frage & Antwort Seiten. Sollte ich jubilieren, daß einem das Hoch- oder Querformat freigestellt ist oder in Sorge darüber sein, daß Stanzmaschinen ins Rutschen kommen, wenn man die Beschnittzugabe vergisst. Puh…

Zurück zum Thema: Nach meinem Dafürhalten gibt es im wesentlichen zwei Gründe für die Gleichmacherei: einen historisch gewachsenen und einen aktuellen.

Kontaktmanagement nach alter Schule

Was wir heute von unseren smarten Geräten in Sekunden abrufen und stets in der Tasche bei uns haben, musste der wohl organisierte Geschäftsmann in früheren Zeiten anders bewerkstelligen. Er verfügte über ein Archivsystem für seine Kontakte: manuell, analog, offline — wie auch sonst.

Rolodex by Owen Lloyd
Rolodex by Owen Lloyd

Ganz gleich, ob es Rolodex, Filofax oder Ablagekasten war, diese Organisationsmittel hatten eine Obergrenze für das Visitenkartenformat. Grundlage dafür war wohl die Größe von Kredit- und Bankkarten gemäß ISO/IEC 7810 ID-1 85.60 × 53.98 mm (3.370 × 2.125 in). Wählte man diese Dimensionen, so war man auf der sicheren Seite. Eine zu große Karte würde beim Empfänger für eine unangenehme Situation sorgen: Man lief Gefahr, nicht in dessen Kartei zu landen, weil die Karte zu sperrig war. Natürlich hätte es keinem Drucker auch nur die geringste Mühe bereitet, abweichende Formate zu produzieren, doch wollte wohl niemand sicheres Terrain verlassen und die Dimensionen der Scheckkarte wurde zum kleinsten gemeinsamen Nenner.

Moderne Zeiten

Spätestens mit dem Aufkommen von Onlinedruckereien wurde dieses Format dann ein für alle Mal zementiert. Zu günstigsten Preisen produzieren, bedeutet nun einmal auf Schärfste rationalisieren und Prozesse so schlank wie möglich zu gestalten. Individuelle Formate gehen eben nicht nach „Schema F“. Hierzu müsste sich jemand damit auseinandersetzen und nicht das immer gleiche Schneidprogramm abspulen – wenn es sich dabei nicht sogar bereits um einen Roboter handelt.

Nebenbei sei erwähnt, daß bereits Oscar Friedheims Maschine aus dem Jahr 1889 (siehe Bild) nicht weniger als 100.000 Visitenkarten am Tag auf Endformat schneiden konnte. Rationalisieren durch uniformes Visitenkartenformat ist also wahrlich kein neues Phänomen in der Welt der Onlinedrucker.

Illustration of a rotary card cutting and scoring machine from an 1889 advert for "Oscar Friedheim Ltd."
Illustration of a rotary card cutting and scoring machine from an 1889 advert for "Oscar Friedheim Ltd."

Frühere Visitenkartenformate

Die ersten Visitenkarten kamen zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV in Mode. Zunächst bediente man sich einfacher Spielkarten, auf welchen der eigene Name notiert wurde, wenn man die Person, die man besuchen wollte, nicht antraf.

Im 19. Jahrhundert bevorzugte man ein Format von 10,5 x 6,5 cm für Herren und 8,0 x 5,0 für Damen. Es gab sogar eigens reservierte Formate: Die Visitenkarten von Kaiser Wilhelm, Deutscher Kaiser und König von Preußen, maß 12,0 x 8,0 cm. Die Größen änderten sich im Lauf der Geschichte und waren nicht zuletzt eine Frage von Geschmack und Mode. In Frankreich waren zu dieser Zeit lange, schmale Besuchskarten en vogue, in England kleineres Visitenkartenformat und in Amerika waren sogar quadratische Karten angesagt. Mit Anbruch des 20. Jahrhunderts war das kleinere, englische Format mit abgerundeten Ecken modern.

Heute übliche Visitenkartenformate

85,0 mm x 55,0 mm
3.346″ x 2.165″
Seitenverhältnis: 1 : 1,55
Vorschau der Proportionen:

 

85,60 mm x 54 mm
3.370″ x 2.125″
Seitenverhältnis: 1 : 1,59
Vorschau der Proportionen:

 

74,0 mm x 52,0 mm
2.913″ x 2.047″
Seitenverhältnis: 1 : 1,42
Vorschau der Proportionen:

 

120 mm x 80 mm
4.724″ x 3.150″
Seitenverhältnis: 1 : 1,5
Vorschau der Proportionen:

 

90 mm x 55 mm
3.543″ x 2.165″
Seitenverhältnis: 1 : 1,6363
Vorschau der Proportionen:

 

90 mm x 50 mm
3.543″ x 1.969″
Seitenverhältnis: 1 : 1,8
Vorschau der Proportionen:

 

89 mm x 51 mm
3.5″ x 2″
Seitenverhältnis: 1 : 1,75
Vorschau der Proportionen:

 

89 mm x 51 mm
3.5″ x 2″
Seitenverhältnis: 1 : 1,75
Vorschau der Proportionen:

 

91 mm x 55 mm
3.583″ x 2.165″
Seitenverhältnis: 1 : 1,655
Vorschau der Proportionen:

 
Business Card Holder by Zach Inglis

Exkurs: Bereithalten der Karten für den großen Auftritt

Wie führen Sie Ihre Visitenkarten mit sich? Im Portemonnaie? Nein, bitte, das kann doch nicht Ihr Ernst sein? Wikipedia erklärt uns: "Eine Visitenkarte sollte stets sauber, makellos und von guter Qualität sein." (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Visitenkarte). Damit ist alles gesagt und die Sache mit dem Portemonnaie sollte sich erledigt haben. Dennoch ein weiterer Gedanke dazu: Ganz gleich, ob Sie ein kleines oder großes Budget für Ihre eigene Darstellung per Visitenkarte aufwenden, dieses Geld haben Sie verbrannt, wenn Sie Ihre Karten im Portemonnaie herumtragen. Sie zerstören die Karten mutwillig und hinterlassen einen katastrophalen Eindruck beim Empfänger. Keine Visitenkarten zu haben, halte ich damit sogar noch für eine bessere Darstellung.

Selbstverständlich ist Etui ist das Mittel der Wahl! Es passt problemlos in Taschen oder Handtaschen. Neben den verfügbaren modernen Etuis lohnt ein Gang über Antik- und Trödelmärke. Teils finden sich hier wunderschöne Etuis mit Patina und Geschichte. Diese Etuis aus früheren Zeiten haben natürlich auch viele verschiedene Größen und unterstützen auf diese Weise beim Entkommen von der Gleichmacherei.

Welche Vorteile hat das Scheckkartenformat?

Etabliert, praktisch, normal – so in etwa kann man es wohl zusammenfassen. Dieses Format ist eine sichere Bank, man kann damit kaum etwas falsch machen. Sicherlich ist es heute nicht mehr von so großer Bedeutung, ob das Kärtchen in die Taschen eines Sammelordners passt. Manche Visitenkarten-Afficionados gehen noch weiter: „[…] Visitenkarten, die man in Klarsichthüllen von Miniordnern stecken und durchblättern kann, ohne sie herausnehmen zu müssen. Das lehne ich ab. Man kann so weder die Kanten, noch die Struktur, noch den Geruch der Karten sinnlich wahrnehmen. Außerdem sehen Karten gut aus, wenn man sie auf dem Schreibtisch arrangiert […].“ (Dorrian, Farrelly: „Visitenkarten“, Stiebner Verlag, 2004, S. 5).

Passionierte Sammler haben gewiss auch Lösungen zur Archivierung abweichender Format – soviel ist sicher. Ich halte es auch so, daß die schönsten Karten, die ich erhalte, auf meinem Schreibtisch liegen. Von Dekoration vermag ich hier nicht zu sprechen, aber die schönsten bleiben am längsten…

Im Grunde bleibt nur ein hartes Argument übrig: Visitenkarten dieser Abmessungen passen ins Portemonnaie. Ist das wirklich ein Vorteil, wenn sie dort doch nichts zu suchen haben und dem Untergang geweiht sind?

Welche Vorteile haben andere Visitenkartengrößen?

Mit dem Anspruch, nichts falsch machen zu wollen, wollen Sie sich kaum zufrieden geben! Reduzieren Sie Ihre Möglichkeiten auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, geht Ihre Karte in der Masse unter – die graue Maus eben. HP Becker von New Cat Orange bringt es perfekt auf den Punkt: „Eine Visitenkarte ist ein persönliches Statement und keine Anwendung von Norm-Formaten – und außerdem auch kein Bezahlinstrument“.

Ein abweichendes Format kann herausragend sein! Denken Sie zum Beispiel an den letzten Messebesuch oder eine Visitenkarten-Party. Sie haben einen ganzen Stapel Karten gesammelt und die Chancen sind äußerst hoch, daß sie alle gleich groß sind. Was aber, wenn eine hervorsticht und kühn aus dem Stapel herausschaut? Haben Sie diese Karte zusätzlich mit einem Farbschnitt versehen lassen, dann kommt der Empfänger an dieser Karte eigentlich nicht mehr vorbei.

Visitenkarte im Sonderformat
Visitenkarte im Sonderformat sticht aus Stapel heraus

Cardfila, ein einstiger Anbieter von elektronischen Archivierungslösungen, sprach davon, daß Visitenkarten im Durchschnitt erst nach vier Jahren verloren gehen. Das Ziel sollte doch sein, daß eine Visitenkarte willentlich niemals weggeworfen wird. Hier sind wir ganz einer Meinung mit Dorian und Farrell, denn gute Visitenkarten sehen auf dem Schreibtisch gut aus. Der dekorative Aspekt scheint vordergründig, doch transportiert das kleine Stück Karton die Botschaft des Herausgebers an den Empfänger – Tag für Tag, Woche für Woche. So werden Visitenkarten zu Erfolgsgeschichten und essentieller Teil des eigenen Marketings. Das Format spielt also neben Material sowie Druck- und Veredelungstechniken eine große Rolle, nimmt es doch direkt Einfluss auf die Gestaltung.

Größe und Seitenverhältnis

Aber welche Größe sollen Sie nun wählen? Übertrumpfen der anderen oder Zurückhaltung? Ein elegantes, kleineres Damenformat hat seinen Reiz und findet eher im privaten Umfeld Einsatz, so daß das Herausstechen aus einem Stapel nicht die oberste Priorität haben muss.

Bei einer größeren Karte müssen nicht beide Dimensionen das Scheckkartenformat übersteigen. 89 mm x 55 mm schaut seitlich aus einem Stapel 08/15-Karten heraus und hat ein sehr gefälliges Verhältnis von Breite zu Höhe, es ist ein „Goldenes Rechteck“.

Goldenes Rechteck im Quadrat
Goldenes Rechteck im Quadrat / Quelle: Wikimedia Commons

Der goldene Schnitt fasziniert und beschäftigt Mathematiker und Künstler seit Jahrhunderten, daher will ich hier dieses Thema nur kurz streifen. Interessant in diesem Zusammenhang: Im Buchdruck wird der Satzspiegel gelegentlich so positioniert, daß das Verhältnis von Bundsteg zu Kopfsteg zu Außensteg zu Fußsteg sich wie 2:3:5:8 verhält. Diese Wahl von Fibonacci-Zahlen nähert sich an den Goldenen Schnitt an und hat zugleich etwas mystisches. Beispiele für harmonische Geometrien liefert uns die Natur zu Hauf und diese lassen sich mit dem Goldenen Schnitt und Fibonacci-Folgen nachvollziehen oder beschreiben. Vermutlich taugt es nicht als Gesprächsthema am Stammtisch, daß die Aufteilung der neuen Visitenkarte diesen Regeln folgt, aber ich bin überzeugt, daß es von Bedeutung ist und einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag leistet bei der Wahrnehmung des Ganzen.

Fazit

Übergeben Sie Ihre Karte häufig auf Messen oder Veranstaltungen, bei denen der Empfänger viele andere Karten erhält, so ist es meiner Ansicht nach ein absolutes „Muss“ mit dem Format aus der Masse herauszustechen.

Lassen Sie Ihre Karte bei einem Druckhaus oder Veredler individuell anfertigen, so dürfen Sie das Format nicht aus dem Auge lassen bei Konzeption und Kreation. Das Beste zu guter Letzt: Abweichende Format kosten nicht einmal mehr Geld! Warum also sollten Sie diese Möglichkeit zur Individualisierung außer Acht lassen. Nutzen Sie das volle Potential, wenn Sie sich für eine individuelle Anfertigung entscheiden und nicht 08/15 online bestellen.

P.S.: Mehr über die herausragende Visitenkarte auf obigem Bild erfahren Sie im Beitrag Edle Visitenkarten für „Convecto“

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